Orgelbauer, anonym ca. 1480

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Walcker-Stiftung für orgelwissenschaftliche Forschung

www.walcker-stiftung.de

Die Walcker-Stiftung für orgelwissenschaftliche Forschung


Im Jahr 1965 trat der Orgelbaumeister Werner Walcker-Mayer (1923-2000), Inhaber der damals größten deutschen Orgelbaufirma E. F. Walcker & Cie., an den Freiburger Professor für Musikwissenschaft Prof. Dr. Hans Heinrich Eggebrecht (1919-1999) heran mit der Idee, eine Stiftung zur Förderung der orgelwissenschaftlichen Forschung zu gründen. Walcker erklärte sich bereit, eine solche Stiftung mit dem für damalige Verhältnisse enorm hohen Betrag von 100.000 DM auszustatten, wenn Eggebrecht (und später seine Nachfolger auf dem Lehrstuhl für Musikwissenschaft an der Universität Freiburg/Breisgau) zusammen mit einem Kuratorium die wissenschaftlichen Forschungsvorhaben ausarbeiten und für deren Durchführung Sorge tragen würden.

Mit diesem äußerst generösen Angebot wollte Werner Walcker-Mayer die Zusammenarbeit wiederbeleben, die in den Jahren ab 1920 zwischen seinem Großvater Oscar Walcker (1869-1948) und dem damaligen Inhaber des Freiburger Lehrstuhls für Musikwissenschaft, Wilibald Gurlitt (1889-1963) entstanden war. Das Ergebnis der damaligen Zusammenarbeit war die sogenannte »Praetorius-Orgel« der Universität Freiburg, die 1921 errichtet wurde und zu den Auslösern der Orgelbewegung gehört. Unter dem Einfluß der Orgelbewegung schlug der Orgelbau in Deutschland eine völlig neue Richtung ein: die Orgelbewegung leitete die Rückbesinnung auf den Orgelbau in früheren Zeiten ein, die bis heute maßgeblichen Einfluß auf den Orgelbau hat.

Hans Heinrich Eggebrecht stimmte dem Vorschlag Werner Walcker-Mayers zu, und so wurde am 9.12.1965 die »Walcker-Stiftung für orgelwissenschaftliche Forschung« als gemeinnützige Stiftung bürgerlichen Rechts vom Kultusministerium des Landes Baden-Württemberg genehmigt. In der Satzung wurde ihr Ziel so beschrieben:

»Zweck der Stiftung ist ausschließlich die Förderung der orgelwissenschaftlichen Forschung im In- und Ausland in musikalischer Richtung. Es sollen insbesondere Forschungsaufträge vergeben, Veröffentlichungen herausgegeben und wissenschaftliche Tagungen veranstaltet werden, wobei die gestellten Aufgaben nach wissenschaftlicher Methode unter Anwendung streng sachlicher und objektiver Gesichtspunkte gelöst werden sollen.«

Unter der Leitung von Hans Heinrich Eggebrecht und Werner Walcker-Mayer förderte die Stiftung die orgelwissenschaftliche Forschung auf dreierlei Weise:

1. Sie vergab langfristige Forschungsaufträge: So finanzierte die Stiftung 1967-69 die Arbeit von Klaus-Jürgen Sachs an einer Neuedition und Kommentierung der mittelalterlichen Traktate über die Mensurierung der Orgelpfeifen. Die Ergebnisse solcher Forschungsaufträge wurden in der »Schriftenreihe der Walcker-Stiftung für orgelwissenschaftliche Forschung« publiziert. Insgesamt fünf Bände erschienen in dieser Reihe, darunter: Klaus-Jürgen Sachs »Mensura fistularum. Die Mensurierung der Orgelpfeifen im Mittelalter« (2 Bände 1970/1980), Harald Schützeichel »Die Orgel im Leben und Denken Albert Schweitzers« (1991) und Michael G. Kaufmann »Orgel und Nationalsozialismus« (1997).

2. Die Walcker-Stiftung veröffentlichte Beiträge zu aktuellen Fragen des Orgelbaus und der Orgelmusik in einer zweiten Publikationsreihe »Veröffentlichungen der Walcker-Stiftung für orgelwissenschaftliche Forschung«. Diese Reihe wurde 1967 eröffnet durch eine kleine Publikation von Hans Heinrich Eggebrecht mit dem Titel »Die Orgelbewegung«, in der Eggebrecht sich kritisch mit dem zu dieser Zeit in Organistenkreisen tonangebenden Gedankengut der Orgelbewegung auseinandersetzt. Bis 1999 erschienen in dieser Reihe insgesamt 16 Hefte.

3. Die Walcker-Stiftung veranstaltete Tagungen, auf denen gegenwärtige Fragen des Orgelbaus, des Orgelspiels und der Orgelkomposition erörtert werden sollten und die daher »Colloquien« (Gespräche) genannt wurden. Das erste Colloquium fand im Januar 1968 statt und war dem Thema »Orgel und Orgelmusik heute. Versuch einer Analyse« gewidmet. Eggebrecht erhoffte sich von diesem Colloquium neue Impulse für die Komposition von avantgardistischer Musik für die Orgel sowie Impulse für die Entwicklung eines neuen Orgeltyps, der Komponisten zur Komposition von neuartiger Orgelmusik anregen sollte. Bis 1999 fanden insgesamt neun Colloquien im Abstand von jeweils etwa 3 bis 4 Jahren statt. Die Berichte über diese Tagungen erschienen in der Reihe »Veröffentlichungen der Walcker-Stiftung«.

Mit dem Tode von Hans Heinrich Eggebrecht am 30. August 1999, der Insolvenz der Fa. Walcker an der Jahreswende 1999/2000 und dem Tode Werner Walcker-Mayers am 13. November 2000 kam die Arbeit der Walcker-Stiftung zeitweise zum Erliegen. Im Frühjahr 2002 wurde die Stiftung wiederbelebt. Seit dem 29. April 2002 arbeitet sie wieder rechtskräftig unter dem alten Namen. Der Stiftungszweck blieb unverändert, jedoch wurden die organisatorischen Strukturen vereinfacht: Das ursprünglich vorgesehene wissenschaftliche Kuratorium gibt es nicht mehr, und auch die ursprüngliche Bindung an den Lehrstuhl für Musikwissenschaft der Universität Freiburg wurde fallen gelassen. Die einstmals gestifteten 100.000 DM blieben der Stiftung trotz der Insolvenz des Hauses Walcker erhalten. Von den Zinseinkünften können heute jedoch nur noch bescheidene Projekte finanziert werden, bedingt durch das niedrige heutige Zinsniveau und die seit 1965 eingetretene allgemeine Preissteigerung.

Unter dem Vorsitz von Prof. Dr. Hermann J. Busch/Siegen veranstaltete die Stiftung in den Jahren 2003-2009 vier weitere Colloquien. Ein fünftes, von Busch geplantes Colloquium fand im Herbst 2011 statt, nachdem Busch am 28. Dezember 2010 verstorben war. Die Publikation der Colloquiumsberichte war vorgesehen, kam jedoch zu Buschs Lebzeiten nicht zustande. Ebenso wurden keine anderweitigen orgelwissenschaftlichen Veröffentlichungen mehr herausgegeben, ganz zu schweigen von der Vergabe von Forschungsaufträgen.

Seit Anfang 2011 werden die Geschäfte der Walcker-Stiftung von Privatdozent Dr. Roland Eberlein/Köln geführt. Die übrigen Mitglieder des vierköpfigen Stiftungsvorstandes sind derzeit: Dr. Fabian Brackhane/Worms, Dr. Kurt Lueders/Paris und Oliver Richters M.A./Haan-Gruiten. Unter der neuen Leitung nahm die Stiftung ihre Veröffentlichungstradition wieder auf: Es erschien als erste Veröffentlichung der Walcker-Stiftung seit ihrer Wiederbelebung die Monographie »Die Geschichte der Orgel« von Roland Eberlein. Überdies wurden die Berichte zu den Colloquien 2003-2011 auf der Website www.walcker-stiftung.de zum Download bereitgestellt. Die neuen Publikationen sind Teil der Reihe »Veröffentlichungen der Walcker-Stiftung für orgelwissenschaftliche Forschung«, die auf diese Weise wieder zum Leben erweckt wurde. Die zweite Veröffentlichungsreihe »Schriftenreihe der Walcker-Stiftung für orgelwissenschaftliche Forschung« wird hingegen nicht mehr weitergeführt, da eine solche Parallelreihe nur Verwechslungen ermöglicht, aber keinen erkennbaren praktischen Nutzen mit sich bringt.

Viele Vorträge, die auf den Walcker-Colloquien seit 2003 gehalten wurden, beschäftigen sich mit der prekären Lage der Orgel im beginnenden 21. Jahrhundert und den Bedrohungen und Chancen der Orgelwelt in den nächsten Jahrzehnten. In einer Zeit, in der das Interesse der Gesellschaft an der Orgel und die Kenntnis von ihrer Geschichte und ihrer Musik rapide abnimmt, darf die Walcker-Stiftung sich nicht darauf beschränken, elitäre Forschung im Elfenbeinturm der Orgelwissenschaft zu fördern. Da die orgelwissenschaftliche Forschung ohne gesellschaftliches Interesse an der Orgel zwangsläufig zum Erliegen kommt, muß sich die Walcker-Stiftung heute auch darum bemühen, daß die Orgel neues Interesse in der Gesellschaft findet. Dazu möchte die Stiftung durch ihre neuen Publikationen beitragen.


Literatur:

Hans Heinrich Eggebrecht: Die Walcker-Stiftung für orgelwissenschaftliche Forschung. In: Orgelwissenschaft und Orgelpraxis. Festschrift zum zweihundertjährigen Bestehen des Hauses Walcker. Murrhardt-Hausen 1980, S. 8-26.

Hermann J. Busch: Orgelforschung in Deutschland. Die wiederbelebte »Walcker-Stiftung für orgelwissenschaftliche Forschung«. In: organ – Journal für die Orgel 2003, Heft 2, S. 62.

Orgeltabulatur aus dem Buxheimer Orgelbuch, ca. 1460-70

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